Dresdner Mahndepots – KUNSTPLAN

SÄCHSISCHE ZEITUNG, MITTWOCH, 11. FEBRUAR 2004

Sächsische Zeitung, Mittwoch, 11. Februar 2004

Gravuren des Krieges
Dresdner Künstler arbeiten an einer imaginären Landkarte des Erinnerns an die Zerstörung von 1945
Von Birgit Grimm

Je länger die Zerstörung Dresdens zurückliegt, umso dichter wird das Netz der Erinnerung. Seit drei Jahren arbeiten Karin Esther du Vinage, Jens Herrmann, Matthias Neutzner und Arend Zwicker als Künstlergruppe „kunstplan“ an einer imaginären Landkarte. Sie markieren in Dresden Orte der Zerstörung, Orte der Erinnerung. „Mahndepots“ werden – unter tatkräftiger Hilfe einer Firma namens „Betonknacker“ – in den Boden eingelassen. In Edelstahlhülsen – sechs Zentimeter im Durchmesser und zehn Zentimeter lang – befinden sich Informationen über die Geschichte des Ortes und ein aktuelles Foto. Da sie mit der Straßenoberfläche abschließen, sind sie kaum zu erkennen, auch wenn die Verschlusskappe mit dem Wort ORT beschriftet ist und eine Nummer trägt. Nachdem im ersten Jahr zahlreiche Mahndepots gesetzt wurden, folgt nun zu jedem 13. Februar eines.

Am Freitag. dem 59. Jahrestag der Zerstörung Dresdens, wird von den Künstlern der 59. Ort an der Pfotenhauer Straße 90, der Orthopädie des Uniklinikums Dresden, markiert. Folgenden Text geben sie in die Erde: „Wie für alle anderen medizinischen Einrichtungen galt für die renommierte Staatliche Frauenklinik die Anordnung, nicht ,reichsdeutsche‘ Patienten strikt getrennt vom normalen Betrieb zu behandeln und unterzubringen.

Im angrenzenden städtischen Gerhard Wagner Krankenhaus waren dazu mehrere Baracken errichtet worden. Die fachlich hoch geschätzte Leitung der Frauenklinik widersetzte sich dem und brachte Fremd- und Zwangsarbeiterinnen zusammen mit deutschen Frauen unter. Die im Winter 1944/45 immer spürbarere Luftkriegsgefahr bedrohte alle Patientinnen gleichermaßen. Für bauliche Schutzmaßnahmen oder eine umfassende Evakuierung fehlten jedoch auch in der Frauenklinik die notwendigen Ressourcen, so dass sich die Vorkehrungen weitgehend auf organisatorische Regelungen beschränkten.

Die Namen sind noch in Erinnerung

Nachdem am späten Abend des 13. Februar 1945 Fliegeralarm ausgelöst wurde, transportierte das Personal der Frauenklinik Patientinnen und neugeborene Kinder in provisorisch vorbereitete Kellerräume. Die Gebäude der Frauenklinik wurden bereits während des ersten nächtlichen Angriffes schwer getroffen. Während mehr als 70 Neugeborene geborgen und per Lkw abtransportiert werden konnten, starben viele Frauen in verschütteten Kellerräumen.

Frau J. berichtet: „Unter ihnen befand sich eine Frau aus meinem Haus, die Zwillinge erwartete. Die Namen Regine und Gesine sind mir noch in Erinnerung. Der Vater wollte eigentlich an einem Mittwoch, das war die nächste Besuchszeit, kommen und seine Familie in die Arme nehmen. Dazu ist es leider nicht mehr gekommen. Unter den Toten waren auch die junge Frau und ihre Zwillinge.“

Auch im Gerhard Wagner Krankenhaus hatten die Luftangriffe schwere Schäden zur Folge. Die Kinderklinik und weitere Gebäude, darunter die Krankenhauskirche, wurden durch Sprengbomben getroffen oder brannten aus.“

Öffentliche Markierung des 59. Ortes am 13. Februar, 15 Uhr im Uniklinikum Dresden, Pfotenhauer Str. 90