Pressemitteilung 4. Mai 2014
Kunstprojekt »Gravuren des Krieges ‒ Mahndepots in Dresden«
Einladung zur Depotsetzung ORT 69 |
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen der Künstlergruppe KUNSTPLAN und der IG 13. Februar 1945 laden wir Sie herzlich ein, an der Markierung eines weiteren Ortes im Kunstprojekt »Gravuren des Krieges ‒ Mahndepots in Dresden« teilzunehmen und darüber zu berichten.
Seit 2001 markierte die Künstlergruppe 68 Erinnerungsorte an Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg im Dresdner Stadtgebiet durch »Mahndepots«. Diese in den Boden eingelassenen Edelstahlhülsen bergen exemplarische Geschichtserzählungen, die mit den markierten Orten verbunden sind. Sie erinnern sowohl an Biografien von Menschen der Stadt als auch an solche von Institutionen und Gebäuden. Sie stehen stellvertretend für die komplexe und widersprüchliche Geschichte jener Zeit von Alltag, Diktatur und Krieg.
Am 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes in Europa, wird ORT 69 in der Hellerhofstraße 35 markiert. Das Mahndepot erinnert an den 18-jährigen Wiener Friseurlehrling Johann Stefka, der am 23. März 1945 im Hof der Dresdner SS-Pionierkaserne wegen Fahnenflucht erschossen wurde. Im Schießstand der weitläufigen Kasernenanlage wurden bis wenige Tage vor der deutschen Kapitulation Todesurteile des Dresdner SS- und Polizeigerichts vollstreckt.
Mit der Depotsetzung beteiligen sich KUNSTPLAN und die IG 13. Februar 1945 an der Initiative »8. Mai in Dresden«, mit der verschiedene Dresdner Gruppen dieses Erinnerungsdatum stärker in der Stadtöffentlichkeit positionieren möchten. In ihrer Erklärung heißt es unter anderem: »Das Datum 8. Mai gibt uns die Möglichkeit, gemeinsam an Leid und geschichtliche Verantwortung zu erinnern. Es ist gleichzeitig eine Gelegenheit, sieben Jahrzehnte Frieden für unsere Stadt zu feiern – und damit eine zivilisatorische Leistung zu würdigen, deren Wert auch in unserer Gegenwart bewusst sein sollte.«
Die Initiative lädt für Montag, den 5. Mai 2014, 10 Uhr, zu einem Pressegespräch in das Deutsch-Russische Kulturinstitut, Zittauer Straße 29, in Dresden ein.
Für Rückfragen zum Projekt und zur Veranstaltung wenden Sie sich bitte an Matthias Neutzner (neutzner@dresden-erinnern.org / 0172-5383465). Informationen zum Projekt finden Sie unter www.mahndepots.de.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Neutzner
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Text Mahndepot ORT 69 ‒ Hellerhofstraße 35
Am 23. März 1945, 6 Uhr morgens, wurde Johann Stefka im Kasernengelände des Dresdner SS-Pionier- , Ausbildungs- und Ersatzbatallions 1 an der Hellerhofstraße wegen Fahnenflucht erschossen. Der Friseurlehrling aus Wien war drei Wochen zuvor 18 Jahre alt geworden. Die Leiche wurde noch am gleichen Tag anonym in einem Reihengrab auf dem St.-Pauli-Friedhof bestattet. Die Friedhofsgebühr von 16 Reichsmark trug die Waffen-SS.
Bis wenige Tage vor der deutschen Kapitulation wurden weitere Todesurteile des Dresdner SS- und Polizeigerichts V im Kleinkaliberschießstand der SS-Pionierkaserne vollstreckt. Die Militär- und SS-Justiz war auch in Dresden ein Verfolgungsinstrument im Dienste der völkerrechtswidrigen Kriegsziele. Rechtsstaatliche Prinzipien wie richterliche Unabhängigkeit oder Berufungsmöglichkeiten waren außer Kraft gesetzt. In der Schlussphase des aussichtslosen Krieges radikalisierten Wehrmacht und SS ihre »Rechtsprechung« weiter: Jeder Befehlshaber konnte ein »Standgericht« einsetzen, die Todesstrafe verhängen und sofort vollstrecken lassen.
Die neu errichtete Dresdner SS-Pionierkaserne wurde im Frühjahr 1937 in Betrieb genommen. Zum Kasernengelände gehörten weiträumige Übungsplätze für die Pionierausbildung. Zahlreiche Pioniereinheiten der Waffen-SS wurden in Dresden aufgestellt. Sie waren – beginnend mit der Besetzung des Sudentenlandes 1938 – an allen militärischen Kampagnen des Dritten Reiches beteiligt.